Großes Interesse beim CDU-Bürgerforum

Einwohner nutzten Möglichkeit zur Meinungsäußerung

26.11.2023, 22:15 Uhr

Die Wickeder CDU-Fraktion arbeitet seit der Vorstellung des Haushaltsentwurfs im Oktober an ihrem Änderungsvorschlag. Da in Kommentaren zur "Grundsteuerpetition" in den sozialen Medien der Bürgerwunsch geäußert wurde, "der Politik ihre Meinung mitgeben zu wollen," lud die Wickeder CDU-Fraktion nun in die Gemeindehalle ein. Auch Bürgermeister Martin Michalzik sowie Fachleute aus der Verwaltung hatte die CDU-Fraktion zum Bürgerforum hinzugebeten, um für Fragen und Informationen zur Verfügung zu stehen. Fraktionschef Thomas Fabri gab zunächst einen allgemeinen Einblick in den Gemeindehaushalt bevor die Verwaltung konkrete Aufgaben erläuterte und sich eine Diskussion mit den Bürgern anschloss. Die Erkenntnisse des Abends wird die CDU in ihre weiteren Beratungen mitnehmen, um ihre Entscheidung auch hinsichtlich der geplanten Grundsteuer zu treffen. Auch werden einige CDU-Ratsmitglieder sich in den nächsten Tagen noch zu einigen Punkten mit Mitarbeitern der Verwaltung über Notwendigkeiten und Sparpotenziale austauschen.

Der Kämmerer der Gemeinde Wickede (Ruhr) beziffert im Haushaltsentwurf für das kommende Jahr derzeit rund 37 Mio. Euro als Ausgaben. Gut die Hälfte davon, ca. 18 Mio. Euro, ist als Kreisumlage direkt an die Soester Verwaltung zu überweisen. Weitere 18 Mio. Euro müssen für Pflichtaufgaben der Gemeinde verwendet werden. Hier sind insbesondere Straßen, Kanäle, Schulen und Kindergärten, Personalkosten, Feuerwehr, OGGS oder Flüchtlingskosten zu nennen. So ergeben sich 36 Mio Euro, die ausgegeben werden müssen, weil es die Gesetze von Bund und Land so vorschreiben. Dabei machte die CDU-Fraktion deutlich, dass für die von Bundes- und Landespolitik vorgeschriebenen Aufgaben, nicht ausreichend Geld vom Gesetzgeber für die Kommunen zur Verfügung gestellt wird. "Machen müssen wir es trotzdem," so der Fraktionschef.
 
Die durch die Gemeinde beeinflussbaren Ausgaben, die so genannten freiwilligen Leistungen, summierten sich auf etwa 900.000 Euro (von den insgesamt 37 Mio. Euro). Fabri gab zum besseren Verständnis einige Beispiele für diesen Bereich:
- Zuschüsse an Vereine, damit Jugendliche z.B. Fußball oder Handball spielen können, denn Sport und Bewegung dienen der Gesundheitsförderung und stärken soziale Kompetenzen
- Gesellschaftliche Teilhabe von Menschen, die sich nicht immer alles leisten können; so werden etwa Seniorenfahrten und Schulausflüge bezuschusst
- kulturelle Veranstaltungen, die nicht zuletzt auch Spaß machen sollen, hier zu leben; wie der Schnadegang (der zudem Heimatwissen und Heimatgeschichte näher bringt), Neujahrsempfang (Ehrenamt und Leistungen von Einwohnern würdigen), Bürgerfeste wie Abendmarkt, Weihnachtsmarkt, Diner en blanc (Aktivitäten in Wickede, Zusammenhalt stärken)
- Ordnungsbereich / Gefahrenabwehr (teilweise Leistungen für Feuerwehr und Zahlungen an das Tierheim)
- Infrastruktur, wie Kindergärten in anderer Trägerschaft (um Betreuungsplätze vorzuhalten), Glasfaserausbau für schnelles Internet, Musikschule (mit aktuell über 200 Wickeder Kindern), Bücherei
 
"Im weiteren Sinne lassen sich auch die Aufwendungen für Freibad, kommunale Sportplätze und Sporthallen sowie Gemeindehalle und Bürgerhaus dazu rechnen; ebenso die öffentliche Grünpflege. Auch besteht keine gesetzliche Verpflichtung, eine weiterführende Schule zu unterhalten."
 
Im Nachgang wurden die Einnahmemöglichkeiten erläutert, die hauptsächlich aus der Gewerbesteuer, den Grundsteuern oder der Gemeindeanteil an den Einkommenssteuern sowie Zuweisungen des Landes bestehen. Für den Haushaltsentwurf beruhen diese hierzu aufgezeigten Planzahlen auf Erfahrungen und Prognosen.
 
Ausgaben und Einnahmen gegeneinander abgewogen implizieren gemäß Haushaltsplan ohne Steuererhöhung ca. 4,8 Mio Defizit - also mehr Ausgaben als Einnahmen. "Selbst wenn wir alle freiwilligen Leistungen, auf die der Wickeder Gemeinderat Einfluss hat, streichen würden, reicht es bei weitem nicht, den Haushalt auszugleichen," so Fabri weiter, "und wir würden zudem viel Lebensqualität vor Ort verlieren."
 
Mit der geplanten Steuererhöhung wären es auch noch ca. 4,1 Mio Fehlbetrag, der dann aus der so genannten Ausgleichsrücklage genommen würde, was aber das Eigenkapital der Gemeinde schmälert und mittelfristig auch aufgebraucht sein wird. Wenn zu viel aus der Ausgleichsrücklage genommen würde bzw. diese aufgebraucht ist, würde der Kreis als Kommunalaufsicht übernehmen. Durch ein so genanntes Haushaltssicherungskonzept hätte die Kommune selbst keine Gestaltungmöglichkeit mehr, denn von oben würde Wickede diktiert, was ggf. zu schließen wäre bzw. welche Vereinszuschüsse usw. gestrichen würden.
 
"Und an dieser Stelle sind dann eben wir als Rat und Verwaltung, aber auch Sie als Bürger gefragt: Wollen wir das? Oder anders gefragt: Was ist es uns allen gemeinsam wert, dass wir weiterhin selbst Wickede gestalten können und eben die freiwilligen Leistungen auch unseren Bürgern bieten können? Auch müsse mal über einige Einrichtungen nachgedacht werden, ob sie noch zeitgemäß seien. Konkret stand die Frage beispielsweise zur Bücherei im Raum: "Werden heute wirklich noch viele Bücher aus einer stationären Bücherei ausgeliehen oder überwiegt doch eher die Onleihe?"
 
Ein Bürger nannte an dieser Stelle die Sekundarschule und sah die geringen Anmeldezahlen für die Schule als einen überdenkenswerten Aspekt, der durch den Verkauf der Gebäude auch Einnahmen generieren würde.
 
Ein Teilnehmer würde die Aussichtsplattform an der neuen Brücke nach Echthausen streichen, die der Architekt in einem Entwurf aufgeführt hat, wenn diese zusätzliche Kosten verursachen würde. Auch Fassadengestaltungen an den Schulen seien seines Erachtens unnötig. Im großen und ganze meine er jedoch, dass die Gemeindeverwaltung und der Bürgermeister "sehr verantwortlich" arbeiteten.
 
Der nächste Bürger fragte, ob die Grundsteuererhöhung nicht auf die Müll- bzw. Abwassergebühren übertragen werden könne. So läge es an jedem selbst, durch persönliche Achtsamkeit auch finanziell sparen zu können. Dies musste die Verwaltung jedoch verneinen, da es gesetzlich nicht möglich sei.
 
Auf den Einwurf, dass die Gemeinde Ense einen geringeren Grundsteuersatz habe, entgegnete der Bürgermeister, dass man die Kommunen dann auch genauer vergleichen müsse. Ense leiste sich beispielsweise keine Gemeindehalle bzw. ein Bürgerhaus und betreibe auch kein Freibad.
 
Ein weiterer Themenkomplex betrachtete die Wohnraumsituation in Wickede (Ruhr). Bezahlbare Wohnungen seien schwer zu finden. Zudem miete die Gemeinde einige Wohnungen für Obdachlose und Flüchtlinge an und statte diese sehr hochwertig aus. Ingo Regenhardt gab als zuständiger Fachbereichsleiter einen Einblick in diese Pflichtaufgabe: "Wir müssen allen ein Dach über dem Kopf ermöglichen." Man bringe Menschen aktuell in Gemeinschaftsunterkünften, wie z.B. im Roncalli-Haus, und in einzeln angemieteten Wohnungen unter. Hierbei sei eine menschenwürdige, aber einfache Ausstattung vorgesehen. Dies bestätigte eine Zuhörerin, die eine Wohnung für Flüchtlinge derzeit an die Gemeinde vermiete. Zudem schaue man, welche Personen man in Gemeinschaftsunterkünften zusammen unterbringen könne, um interne Konflikte aber auch mit der Nachbarschaft bereits im Vorfeld möglichst zu vermeiden. Auf die Frage, warum so viele Wohncontainer noch unbewohnt seien, erläuterte Regenhardt, dass die Gemeinde auch freien, bezugsfähigen Wohnraum vorhalten muss: "Das Land kann uns jederzeit neue - aktuell etwa 100 - Flüchtlinge zuweisen, die wir innerhalb von 10 Tagen aufnehmen müssten." Auch wurde nochmal erklärt, dass die ZUE im ehemaligen Krankenhaus von der Gemeinde losgelöst zu betrachten sei, da sie eine Landeseinrichtung wäre.
 
Aus der Bürgerschaft kam zudem die Frage, wie sich die 7.500 Euro, die die Bundesregierung für jeden Flüchtling zahlen würde, auf den Gemeindehaushalt auswirken würde. Bürgermeister Michalzik erklärte hierzu, dass dies für Wickede keine Verbesserung bringen würde, da man "null Euro" bekommen würde. "Im Kleingedruckten der Bundesregierung" sei nachzulesen, dass es nur für Flüchtlinge gelte, die einen Erstantrag stellen würden - in der Gemeinde jedoch kämen keine "Erstantragsteller sondern zugewiesene Flüchtlinge" an.
 
Ein nächster Bürger fragte, ob man in Rat und Verwaltung über die Ausweitung von Gewerbegebieten nachgedacht hätte, um mehr Einnahmen durch die Gewerbesteuer zu erzielen. Hierzu erläuterte CDU-Fraktionsvorsitzender Thomas Fabri, dass man mehrere Flächen in der Gemeinde geprüft habe - beispielsweise das Gebiet westlich des Industriegebietes Westerhaar. Um die hügelige Landschaft dort für Gewerbe zu bereiten, sei ein hoher Kostenaufwand notwendig. Bei der dann anschließenden Vermarktung befänden wir uns aber mit umliegenden Kommunen im Wettbewerb und da flächenreiche, ebenerdige Kommunen - wie z.B. Ense oder Bönen - deutlich günstiger anbieten können, hätten wir das Nachsehen.
 
"Im Haushalt ist nur geringer Anteil von der Kommune zu beeinflussen," fasste ein Bürger zusammen. "Kann man dem Kreis oder Land nicht sagen: Es geht nicht mehr? Alle anderen Kommunen sitzen ja im selben Boot. Irgendwann kann die Kuh nicht mehr gemolken werden." Ein anderer meinte: "In ein paar Jahren ist Rücklage verbraucht und man ist dem Konkursverwalter unterstellt." Und eine Dame ergänzte im Hinblick auf die Umlagensystematik des Kreises bzw. des Landschaftsverbandes: "Das zieht sich ja durch bis zum Bund." Dieser Auffassung pflichtet die CDU-Fraktion bei und unterstrich abermals die Unterfinazierung der Kommunen. Auch die "Runde der Bürgermeister", die "Fraktionsvorsitzenden auf Kreisebene" aber auch Institutionen wie der Städte- und Gemeindebund schlagen hier Alarm.
 
Da für 2025 die Neufassung der Grundsteuerberechnung in Kraft träte, würden sich für Wickede die Einnahmen ändern. Hierauf machte jemand aufmerksam und fragte, ob es hierzu schon Berechnungen gäbe. Die Grundlagen müsste das Finanzamt den Kommunen zukommen lassen, was noch nicht erfolgt, sei und man daher auch noch keine verlässlichen Zahlen diesbezüglich nennen könnte.
 
Abschließend gab es noch eine Frage zur geplanten Erneuerung von abgängigen Straßenlaternen im Schmitz Hof. "Die sind für das kommende Jahr vorgesehen," antwortete Bauamtsvertreter Ludger Böhmer. Weiterhin bat der Bürger darum, in dem Bereich auch eine regelmäßige Reinigung vorzusehen - insbesondere im Herbst seien fallende Blätter, Eicheln, etc. enorm störend.
 
Nach etwa zweistündiger Veranstaltung bedankte sich CDU-Fraktionschef Thomas Fabri für die rege Teilnahme der Bürger und der Verwaltung und wiederholte das Angebot der CDU: "Wir stehen Ihnen mit unseren Ratsmitglieder stets für Ihre Anliegen zur Verfügung. Melden Sie sich gerne bei uns." Die Erkenntnisse des Abends wird die CDU in ihre weiteren Beratungen mitnehmen, um ihre Entscheidung auch hinsichtlich der geplanten Grundsteuer zu treffen.